Hüttenwartin SAC Dammahütte -selbst ist die Frau
Beitragsbeschreibung
11/13/2025


Hüttenwartin SAC Dammahütte – Selbst ist die Frau
Nachdem wir im Herbst wieder ins Tal zurückgekehrt waren, wurde mir erst richtig bewusst, wie viel sich verändert hatte.
Der Vater meiner Kinder hatte sich vollständig zurückgezogen und den Kontakt zu den Kindern verweigert – etwas, das bis heute, 35 Jahre später, unverändert geblieben ist.
Für die Kinder war das hart, für mich ebenso. Wir standen da: vier Menschen, die ihren Weg neu sortieren mussten.
Trotz allem merkte ich bald:
Ich vermisse die Dammahütte.
So streng der erste Sommer gewesen war – er hatte mir auch gezeigt, wie schön es dort oben ist.
Diese besonderen Momente, die man nur auf 2439 Metern erlebt:
Die sternenklaren Nächte draussen auf dem Wassertank.
Und wie schön es war, wenn ich draussen an meinem Lieblingsplatz sass und stundenlang einfach nur mit dem Feldstecher die Berge absuchte – Kletterer, Jäger, Kristallsucher oder Wanderer.
Diese kleinen, stillen Momente gehörten zu den schönsten.
Die Kinder, die mit Zündhölzern und Steinen ganze Fantasiewelten bauten.
Und dieses einfache, pure Leben ohne Ablenkungen – nur wir, die Berge und die Stille.
Genau diese Erinnerungen liessen in mir den Gedanken entstehen:
Vielleicht gehe ich nochmals hinauf.
Der Herbst und der Winter waren dennoch fordernd, und ich war oft überfordert.
Es gab so vieles neu zu ordnen und zu tragen, und manchmal wusste ich nicht, wo ich überhaupt anfangen sollte.
Aber ich ging weiter – Schritt für Schritt.
Nach mehreren Gesprächen mit dem SAC Pilatus kam der Entscheid:
Ich probiere es nochmals. Alleine.
Dann, im März, starb mein Vater.
Es war ein stiller, schwerer Einschnitt, der mich mitten in einer Zeit traf, in der ohnehin schon alles auf wackligen Füssen stand.
Ich wusste nicht, wohin mit all den Gefühlen – Trauer, Überforderung, Erschöpfung.
Und gleichzeitig musste ich irgendwie weitermachen, für mich und für die Kinder.
Damals ahnte ich noch nicht, dass der Tod mich in dieser Saison noch einmal begleiten würde.
Die Vorbereitungen – ein kleiner Rückschlag
Ich wollte es dieses Mal besser machen und kochte zu Hause grosse Mengen vor – rund 40 Kilo Fleisch.
Schon im ersten Jahr hatte ich auf der Dammahütte einen Herrn kennengelernt, der sich mit dem Haltbarmachen von Lebensmitteln auskannte.
Er wohnte damals in Appenzell Innerrhoden und bot an, das Fleisch für mich professionell in Konservenbüchsen zu sterilisieren.
Für eine ganze Hüttensaison klang das nach der idealen Lösung.
Darum packte ich das frisch gekochte Fleisch – noch heiss – direkt in Militärkanister.
Damals dachte ich nicht daran, dass dafür etwas Luft hätte dazukommen müssen.
Die Kanister waren so dicht verschlossen, dass sich über Nacht ein starker Druck aufgebaut hatte.
Als wir am nächsten Tag in Appenzell die ersten Kanister öffneten, kam uns ein sehr unangenehmer Duft entgegen.
Ein Atemzug reichte, und wir wussten:
Das ganze Fleisch war unbrauchbar.
Ein Moment zum Verzweifeln – und heute eine dieser Geschichten, bei denen ich nur noch den Kopf schütteln und lachen kann.
Aufbruch in die zweite Saison
Trotz allem machte ich mich wieder auf den Weg zur Hütte.
Begleitet von Sack und Pack – und natürlich unserer kleinen, bunten Tierfamilie:
Unser Hund Trixi, die zwei Katzen und die beiden Wellensittiche im Käfig.
Eine ungewöhnliche Truppe, aber sie waren einfach ein Teil von mir.
Zwei, drei Tage nach unserer Ankunft ging die Saison dann gleich richtig los – mit drei kranken Kindern.
Alle hatten die Spitzblattern.
Ich organisierte jemanden, der mir Fenistil, Salben gegen den Juckreiz und Fieberzäpfchen hochbrachte.
Mehr brauchte es nicht, um zu merken: Auch auf der Hütte fragt das Leben nicht, ob es gerade passt.
Ein guter Start
Schon bald merkten wir:
Dieses Jahr war anders.
Das Wetter war besser, die Wege früher frei, die Tage klarer.
Es waren mehr Leute unterwegs – Tagesausflügler, Wanderer, Übernachtungsgäste.
Alles lief ruhiger und geordneter als im Jahr zuvor.
Und sehr froh war ich auch um die sechs kleinen Kinderhände, die mich immer und überall begleitet, unterstützt und mitgeholfen haben.
Und wenn es einmal richtig voll wurde und ich kaum nachkam, war ich zum Glück nicht alleine:
Ein befreundetes Ehepaar kam an besonders vollen Wochenenden hoch, um mich zu unterstützen.
Und auch meine Freundin war regelmässig da und half, wo sie konnte.
Diese Unterstützung bedeutete mir unglaublich viel – gerade in einem Alltag, der so weit weg von allem war.
Kurz gesagt:
Die zweite Saison war ein guter Sommer.
Wie dieser Sommer weiterging – und wie mir der Tod wenig später erneut begegnete – erzähle ich dir im nächsten Teil.


